Bestimmten Verhältnissen dem Leben gegenüber ist Radikalität das einzig Vernünftige, was Humanität noch rettet.
Es ist eine andere Welt, in der man zwischen "Freiheit" und "Freizeit" nicht unterscheiden kann, "Gesellschaft" sagt und "Zielgruppe" meint, von einem "Konzept" spricht und nicht einmal eine "Idee" besitzt, von einer "Idee" spricht und nicht einmal einen Einfall hat.
Soziale Fragen löst man, indem man asozialen Fragern den Lebensraum entzieht.
Am meisten Zukunft haben Menschen ohne Vergangenheit.
Liebeskummer ist ein stärkeres Gefühl als die Liebe selbst.
Das Volk hängt an seinen Helden nicht mehr als an seinen Schurken.
Die Intellektuellen begreifen, dass ihre wahre Heimat die innere Emigration ist.
Manche Prominente merken erst, dass sie eine Meinung haben, wenn sie gedruckt wird.
Viele, die sich auf den Weg der Selbstfindung machen, sind ängstlich, sie könnten ankommen.
Weltstars funktionieren als Bilder, als Menschen floppen sie meist.
Vermutlich werden alle Menschen tierlieb geboren, nur übertragen sie diese Liebe irgendwann auf das Fernsehen.
Der Showmaster ist ein trauriger Clown, der der Quintessenz dessen, was die Öffentlichkeit als gute Laune kennt, einen persönlichen Ausdruck geben muss und Gefahr läuft, sich selbst dabei abhanden zu kommen.
Wenn dereinst die Kulturgeschichte dieser Jahrhundertwende verfasst wird, dann muss ein futuristischer Dialektiker der alten Schule auftreten und sagen, die Menschheit habe sich zur Abschaffung des Menschen eben jenes Mediums bedient, das einmal zur Selbstreflexion des Menschlichen angetreten sei: des Fernsehens.
Roger Willemsen
Roger Willemsen
Die Enden der Welt
Emotionale Weitsicht
Sie war eine Weitsichtige: Was noch fern war oder schon wieder verabschiedet, das sah sie scharf. Was aber nah war, was sie unmittelbar umgab, das konnte sie nicht genau erkennen und hüllte es deshalb in Stereotype. Ihre Rhetorik war leidenschaftlich in der Erwartung und im Abschied, also bei den Dingen, die noch nicht sind, und bei jenen, die nicht mehr waren. Was tun mit uns? Zunächst reisten wir aufeinander zu, um die Nähe, die wir in der Ferne empfunden hatten, mit körperlicher Gegenwart zu beleben, aber allmählich wuchs der Verdacht, dass wir am Ende einen Platz leer finden würden. Ja, wir reisten voller Verlangen, doch verlegen, weil jetzt ein Körper saß, wo ein Phantom gewesen war. (...) Von außen waren wir ein Paar, von innen ein Arrangement.
Roger Willemsen